Normal oder Diesel?

Als Hollywood Diesel nicht auf Anhieb den roten Teppich auslegte, arbeitete er sich mit dem Kurzfilm den Frust von der Seele. Mit 3.000 Dollar und dem Ratgeber "Feature Films at Used Car Prices" realisierte er "Multifacial"- eine Satire über einen arbeitslosen Schauspieler, der bei jedem Casting vorgab, einer anderen ethnischen Gruppe anzugehören, um nicht in einer Schublade abgelegt zu werden.

Das kleine Trotzprojekt stieß 1995 in Cannes auf große Resonanz. Steven Spielberg sah es und stieg auf Diesel um, als er die Rolle des Caparzo für "Der Soldat James Ryan" besetzte. So kam der No-Name aus Greenwich Village zu Heldentod und neuem Karriereimpuls.

Action rules!

Seine Wurzeln beschreibt er kryptisch als multikulturell. Im Pool sind afro- und italo-amerikanische Gene, aber deutlicher wird Diesel nie. Das gehört zur beruflichen Strategie, reflektiert aber auch die Verachtung für einen Vater, den er nie kannte: "Das fehlte mir gerade noch, irgendein Darth Vader, der an meine Türe klopft", kommentierte er einmal sein ausgeprägtes Verlustempfinden.

Aufgewachsen ist Diesel dennoch harmonisch. Mutter Delora ist Astrologin, Stiefvater Irving Theaterdozent. Mark Vincent, seinen richtigen Namen, legte er als Teenager ab, um in seinem Job schon phonetisch Dominanzsignale aussenden zu können.

Du kommst hier net rein!

Neun Jahre lang arbeitete der Mann, der seit der Kindheit Theaterluft atmete, als Rausschmeißer in New Yorker Nightclubs. Demut legt man sich damit nicht zu, aber als Actionheld wird man glaubwürdiger. "Er kann sehr witzig und sanft, aber auch sehr bedrohlich und einschüchternd wirken", beschreibt Rob Cohen, Regisseur von "xXx - Triple X" und "The Fast and the Furious", seinen Star.

Physische Präsenz und Charisma, das Rausschmeißer selten buchstabieren, geschweige denn ausstrahlen können, hat Diesel schon unter Beweis gestellt. Ob als Börsen-Yuppie in "Risiko - Der schnellste Weg zum Reichtum" oder als Alienkiller in "Pitch Black".

Rassel statt Handgranate

Statur und ein Schuss Gefährlichkeit haben ihn bei weiblichen Fans sogar zum Sexsymbol geadelt, obwohl er im Kino viele Schädel, aber noch keinen BH knacken musste und auch privat romantisch nicht überbeschäftigt wirkt. Seine angebliche Affäre mit dem 18-jährigen tschechischen Model Pavla Hrbkova ändert wenig daran, dass Diesel als Lover noch hinter seinen Affären als Diva zurückbleibt.

Daher bastelt Diesel nun zumindest schon mal vor der Kamera fleißig am Imagewechsel. Als "Der Babynator" mutiert er derzeit vom schnell feuernden Navy-SEAL zum Beschützer einer Großfamilie mit fünf Kids, die es faustdick hinter den Ohren haben. Und der Action-Held muss bald erkennen, dass es wesentlich leichter ist, das Magazin einer Uzi nachzuladen als fachgerecht eine verdreckte Windel zu wechseln.

Haarige Sache

Völlig verändert zeigt sich Diesel dann demnächst im Gerichtsdrama "Find Me Guilty" von Regie-Ikone Sidney Lumet, der vor fast 50 Jahren mit "Die zwölf Geschworenen" das Meisterstück des Genres vorlegte. Vin spielt den historischen Gangster Jack DiNorscio, der sich im längsten Mafia-Prozess der US-Geschichte selbst vor Gericht verteidigte. Für Diesel also ein Wechsel vom Muskelmann zum Hirnakrobaten. Fans wird aber vor allem die brünette Haarpracht auf dem Kopf des Mannes irritieren, für den die Glatze bisher ein Markenzeichen und Gütesiegel war.

Um den hart erarbeiteten Action-Thron nicht völlig verwaisen zu lassen, schlüpft Diesel 2006 mal eben in die Rolle des legendären karthagischen Römer-Schrecks Hannibal, der im 3. Jahrhundert eine 100.000 Mann starke Armee samt Elefanten über die Alpen führte. Regie sollte eigentlich Ron Howard führen. Doch als das Studio dessen Budget-Forderung von 200 Millionen Dollar glatt abbügelte, bot sich Diesel an, das Mega-Projekt für 50 Millionen selbst zu drehen - schon hatte er sein Regie-Debüt.